Unser Standpunkt
Human Friendly Automation – wirklich human?
Nicht ohne Belegschaften und Betriebsräte
Nicht ohne Belegschaften und Betriebsräte
Die Idee ist bestechend. Beschäftigte, die durch intelligente Automatisierung ihren Tätigkeitsbereich teilweise oder ganz verlieren, erhalten neue Aufgaben, Qualifizierung inklusive. »Human Friendly Automation« heißt die Methode, initiiert von IBM. Ist das der Start für eine neue Humanisierungswelle? Oder erhält Machine Learning nur ein freundliches Gesicht? Ein Kommentar von Walter Lochmann, Projektleiter Künstliche Intelligenz bei der BTQ.
»Das kennen wir: Am Flughafen sind die meisten Schalter unbesetzt. Die Passagiere werden automatisch eingecheckt. Das geht schneller. Oder: Stromtarifoptimierung per KI. Die KI durchsucht auf Basis der Daten von Interessent*innen sämtliche Stromanbieter und schlägt den passenden Tarif vor. Dann kündigt die KI den Vertrag mit dem alten Energieversorger und schließt einen neuen mit der Konkurrenz ab. Ein Bot des Unternehmens überwacht die Konditionen und informiert die Kund*innen, falls es bessere Angebote gibt. Prozessautomatisierungs-Roboter sparen Zeit.
Aber was passiert mit den Beschäftigten, die bisher die Kund*innen am Flughafenschalter bedienten oder am Telefon die Vertragsmodalitäten abwickelten? Es interessiert Unternehmen allenfalls am Rande, welche Auswirkungen intelligente Automatisierung auf die Beschäftigten hat. Geht es doch vorrangig darum, möglichst viele FTEs (Vollzeitäquivalente) einzusparen und effizienter zu werden. Das soll mit Human Friendly Automation anders werden.
So lautet die Geschichte zur Entstehung von Human Friendly Automation, die aus dem Kreis der Unternehmensberater*innen von IBM stammt und die diesen Beratungsansatz stark machen wollen. Mit dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung, ISF München, und einigen großen Unternehmen wurde eine Werte-Charta entwickelt. Human Friendly Automation fragt: Wo finden sich Einsatzmöglichkeiten für den Menschen, der durch intelligente Automatisierung Aufgabenbereiche verloren hat? Wo liegen seine Kompetenzen? Und wie kann der Mensch für neue Aufgaben qualifiziert werden?
Für Gewerkschaften und Interessenvertretungen ist dieser Ansatz nichts Neues. Ist Human Friendly Automation nun begrüßenswert? Ja und nein.
Problematisch ist aus unserer Sicht, dass es sich bei dem Human-Friendly-Ansatz um eine Selbstverpflichtung handelt. Weder Beschäftigte noch Betriebsräte haben einklagbare Rechte. Apropos Betriebsräte. Human Friendly Automation wendet sich inzwischen nicht nur an die Führungsebene und die Fachbereiche, die Technik einsetzen, sondern auch an Betriebsräte. Die Initiative verspricht sich durch den Fokus auf die Beschäftigten eine größere Akzeptanz bei Betriebsräten. Und damit auch bei den Belegschaften. Unternehmen haben nicht zuletzt im Blick, dass ihnen Human Friendly Automation als ethisches Grundprinzip zu einer besseren Bewertung der Aktien verhilft.
Die Praxis wird weisen, ob sich der partizipative Ansatz durchsetzt. Es wäre gut, wenn Unternehmen die Folgen von Automatisierung auf den Menschen in den Blick nehmen. Es ist gut, wenn sie öffentlich machen, dass gesellschaftliche Verantwortung wichtiger ist als monetärer Projekterfolg. Und es wird dann richtig, wenn Beschäftigte beteiligt und Betriebsräte gemäß Betriebsverfassungsgesetz von Anfang an dabei sind und sich zusätzlich von den Fachleuten des tbs-Netzes beraten lassen.«