Unser Standpunkt
Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?
Was Betriebs- und Personalräte regeln können
Was Betriebs- und Personalräte regeln können
Die Frage stellt sich nicht. Die Ampel-Koalition hat das Recht auf Homeoffice aufgegeben. Was Beschäftigte vielmehr brauchen – und das klingt paradox — ist ein Rückkehrrecht auf den Arbeitsplatz. Denn besonders in Ballungsgebieten reduzieren Arbeitgeber aus Kostengründen Büroräume und verdrängen Beschäftigte in ihren Privatbereich. Arbeiten sie dann zu Hause, sind sie dem Risiko der Kontrolle ausgesetzt. Denn viele Arbeitgeber argwöhnen, dass es im Homeoffice unproduktiver zugeht als im Büro. Ein Kommentar von Technologieberater Reza Ghaboli-Rashti.
»Für Unternehmen gibt es seit März 2022 keine Pflicht mehr, Homeoffice anzubieten. Dennoch bleibt das Homeoffice für viele Beschäftigte attraktiv. Jede*r vierte arbeitet dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge gelegentlich zu Hause. Unter welchen Bedingungen das geschieht, in welcher Arbeitsumgebung und mit welchen Arbeitsmitteln, das ist vielfach eine Grauzone. Umso wichtiger sind betriebliche Regelungen. Darin sollten das Rückkehrrecht, die ergonomische Ausstattung und der Datenschutz enthalten sein. Mehr noch: Es muss auch ausgeschlossen sein, dass mit einer Software Überwachung möglich ist.
Der Trend zum Homeoffice hat eine Kehrseite: Unternehmen sehen Sparpotenzial, indem sie Büroflächen in teuren Citylagen verkleinern. Dann steht nicht mehr für jede*n ein Arbeitsplatz im Büro zu Verfügung. Beschäftigte buchen sich stattdessen über sogenannte Desksharing-Systeme einen Arbeitsplatz, Parkplatz oder Besprechungsraum und arbeiten ansonsten mobil oder im Homeoffice. Weil nicht jede*r zu Hause über einen Raum verfügt, in dem ungestörtes Arbeiten möglich ist, sollten Interessenvertretungen die Beschäftigten nach ihren Bedürfnissen fragen. Betriebs- und Dienstvereinbarungen brauchen differenzierte Lösungen.
Doch so sehr manch eine Arbeitgeber die Kostenersparnis für freigewordene Büros schätzt, so sehr treibt ihn die Angst um, dass die Produktivität der Beschäftigten im Homeoffice sinkt. Die Furcht vor Kontrollverlust führt dazu, dass Überwachungssoftware — verharmlosend Monitoring-Tools genannt – eingesetzt wird.
Allerdings ist es nicht erlaubt, mithilfe von Software Tastatureingaben aufzuzeichnen, Screenshots anzufertigen, Browserverläufe oder Inaktivitätszeiten zu speichern. Das wäre nur in Ausnahmefällen erlaubt, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass ein Beschäftigter seiner Arbeitsverpflichtung nicht nachkommt. Betriebsräte unterbinden den Einsatz solcher Überwachungssoftware in der Regel. Eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle ist aber auch mit Softwarepaketen wie Microsoft 365 möglich (siehe »Ein Fall aus der BTQ-Werkstatt: Microsoft 365 – pure Leistungskontrolle«).
Wertschätzung statt Misstrauen
Statt die Belegschaft zu überwachen und damit ein Klima der Kontrolle und des Misstrauens zu schaffen, ist es gewinnbringender, über Strategien zur Motivation von Beschäftigten im Homeoffice nachzudenken. Sie empfinden es als wertschätzend, wenn sich Führungskräfte hin und wieder nach ihrem Befinden erkundigen, Unterstützung anbieten und deutlich machen, dass regelmäßige Pausen und die Einhaltung der Arbeitszeit im Sinne des Unternehmens sind. Auch virtuelle Teammeetings ohne Tagesordnung sind hilfreich, die informellen Treffen in Kaffeeecke und auf dem Flur zu ersetzen. Führungskräfte sind gut beraten, sich in Themen wie ‚Führung auf Distanz‘ zu qualifizieren.
Warum Arbeitgeber von mobiler Arbeit sprechen
Bei Telearbeit – die korrekte, aber althergebrachte Bezeichnung für das ständige Arbeiten zu Hause, erst seit 2016 legal definiert – gilt die Arbeitsstättenverordnung (§ 2 Abs. 7). Der Arbeitgeber hat die Pflicht, den Arbeitsplatz so auszustatten wie im Büro – mit ergonomischen Möbeln, Eingabegeräten, Bildschirm, Beleuchtung etc. Das gilt fürs Homeoffice nicht. Deshalb legen Arbeitgeber Wert darauf, das Arbeiten zu Hause mobile Arbeit oder Homeoffice zu nennen und vermeiden den Begriff Telearbeit. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung von 2021 ist ausdrücklich festgehalten, dass mobile Arbeit rechtlich von Telearbeit abzugrenzen ist und die Arbeitsstättenverordnung nicht gilt. Deshalb wird es Aufgabe der Interessenvertretung sein, möglichst viele gute Regelungen aus der Arbeitsstättenverordnung und Telearbeit in eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung zu integrieren.
Auch der Arbeitgeber sollte ein Interesse an Maßnahmen zum Datenschutz und zur Datensicherheit an den Homeoffice-Arbeitsplätzen haben, also eine sichere Verbindung zum Unternehmensnetz, Verschlüsselungsverfahren und betriebseigene Endgeräte. Damit wird die sogenannte Schatten-IT vermieden, die entsteht, wenn Beschäftigte mit ihren persönlichen Geräten auf die Kommunikationsmittel des Arbeitgebers zugreifen. Denn dann kann es passieren, dass die IT-Abteilung keinen Überblick mehr über Zugangssysteme hat und die Sicherheitsstandards nicht mehr gewährleistet werden können.
Was es zu vereinbaren gilt
Gut wäre, wenn es Betriebs- und Personalräten gelingt, konkrete Arbeitszeiten, Zeiten der Erreichbarkeit und Nichterreichbarkeit und des Supports zu vereinbaren. Das nimmt den Druck, immer und jederzeit reagieren zu müssen. Technisch möglich wäre es auch, den Zugriff auf die Arbeitssysteme etwa ab 20 Uhr zu verhindern. Damit auch wirklich Feierabend gemacht werden kann.
Mein Fazit: Ein Recht auf Homeoffice wäre überfällig gewesen und hätte Beschäftigten genutzt, deren Vorgesetzte sich gegen jegliches Arbeiten von zu Hause sperren. Nun gibt es lediglich einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice. Arbeitgeber können der Arbeit im Homeoffice widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Es gibt aber auch kein Recht des Arbeitgebers, Beschäftigte ins Homeoffice zu schicken. Beide – Arbeitgeber und Beschäftigte – müssen zustimmen.
Die Verantwortung, die zeitliche Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes bei Vereinbarungen zu mobiler Arbeit oder Homeoffice ähnlich der Telearbeit zu regeln, liegt nun bei Betriebs-, Personalräten und Mitarbeitervertretungen. Zwei Tage im Büro und drei zu Hause oder umgekehrt – das kommt vielen Beschäftigten entgegen. Und letztlich auch der Interessenvertretung. Denn Beschäftigte, die ausschließlich zu Hause arbeiten, verlieren Zusammenhalt und sind schwerer zu aktivieren.«