KI ist nicht die Rettung aus der Klimakrise – Wie Betriebsräte soziale und ökologische Nachhaltigkeit anstoßen können
Unser Standpunkt
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Je unlösbarer ein Problem erscheint und je größer die notwendigen Veränderungen, desto schneller kommt die Rede auf KI. Die Maschinen sollen auf wundersame Weise richten, was der Mensch angerichtet hat und mit klugen politischen Entscheidungen auch selbst reparieren könnte. KI rettet uns aber nicht aus der Klimakrise, sondern ist allenfalls ihr Brandbeschleuniger. Nachhaltigkeit im Betrieb zum Thema zu machen, lohnt sich dennoch, davon ist Technologieberaterin Carola Köppel überzeugt.
»In einer Umfrage des Interessenverbandes Bitkom erklärten fast acht von zehn befragten Unternehmen, in künstlicher Intelligenz (KI) eine Chance fürs Klima zu sehen. Knapp die Hälfte war sogar der Ansicht, die Menschheit werde ihre Klimaprobleme überhaupt nur mithilfe von KI lösen können. KI als Rettung aus der Klimakrise? Ist da was dran?
Tatsächlich gibt es positive Beispiele, wie mithilfe künstlicher Intelligenz weniger Strom verbraucht wird, schlauer gekühlt und in der Landwirtschaft Wasser gespart werden kann. Alles richtig. Aber diese positiven Effekte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass KI-Anwendungen viele Ressourcen verbrauchen.
Das gilt insbesondere für die großen Sprachmodelle. So gehen Forscher*innen der University of California in Riverside davon aus, dass Open AI schätzungsweise 700.000 Liter Frischwasser verbrauchte, um GPT-3 in den US-amerikanischen Microsoft-Rechenzentren zu trainieren. Umgerechnet soll dieser Verbrauch der Produktion von 370 BMW oder 320 Teslas entsprechen.
Wasserverschwender und Stromfresser
Wasser kostet aber nicht nur das Training. Die Forscher*innen schätzen, dass jede Unterhaltung mit ChatGPT, die durchschnittlich zwischen 20 und 50 Fragen umfasst, mit einem guten halben Liter Trinkwasser bezahlt wird.
Mit KI gibt es zwar die Möglichkeit, den Energieverbrauch zu drosseln. Gleichzeitig steigt aber der Einsatz von KI mit der Folge, dass auch der Energieverbrauch wächst, was der Tech-Konzern Google etwa durch mehrere kleine Atomkraftwerke decken will. Microsoft zieht nach.
Denn Rechenzentren sind gigantische Stromfresser. Sie verbrauchen bereits bis zu 1,5 Prozent des weltweiten Strombedarfs. Tendenz steigend. Auch deshalb habe der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Digitalisierung und KI als ›Brandbeschleuniger für die Klimakatastrophe‹ bezeichnet, erklärte Rainer Rehak, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft, in einem Interview im Deutschlandfunk.
AI Act ohne Umweltauflagen
Wir alle wissen, dass wir mitten in einer Klimakrise stecken. Unser Ziel muss demnach sein, KI ressourcenschonend einzusetzen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass uns auch das kostenlose GPT Ressourcen kostet. Wenn man KI nutzt, sollte es immer einen guten Zweck geben. Ist die GPT-Anfrage notwendig, muss das Bild mithilfe von KI generiert werden? Sind die Ziele nicht anderweitig erreichbar? Große Sprachmodelle just for fun zu nutzen, hat immer auch ökologische Kosten.
Was könnten Betriebsräte tun? In diesem Fall hilft nicht der Blick in die KI-Verordnung der EU. Denn im AI Act fehlen verpflichtende Umweltauflagen. Die KI-Verordnung der EU, die einen risikobasierten Ansatz beim Einsatz von KI für Mensch und Gesellschaft verfolgt, versagt demnach bei Umweltrisiken.
Allerdings können sich Betriebsräte, die soziale und ökologische Nachhaltigkeit beim KI-Einsatz im Betrieb regeln wollen, auf § 89 Betriebsverfassungsgesetz berufen. So hat sich der Betriebsrat dafür einzusetzen, dass die Vorschriften (…) über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. ›Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.‹
Zunächst kann der Betriebsrat den Status quo ermitteln: Wie nachhaltig ist die im Betrieb verwendete KI? Dazu hat die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation AlgorithmWatch ein Bewertungstool mit Kriterien zur sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit von KI entwickelt.
Der Betriebsrat könnte darauf einwirken, dass die Betriebsvereinbarung einen Passus zur Einhaltung von Klimaneutralität und Nachhaltigkeit enthält. Sprich: Um KI im Betrieb einzuführen, muss das Unternehmen Klimaneutralität und Kriterien zur sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit beachten. Helfen kann dabei das SustAIn-Projekt mit einer Anleitung, wie man Schritt für Schritt zu einer nachhaltigen KI kommt.
Auf Lieferkette und Datenschutz schauen
Zur sozialen Nachhaltigkeit kann es auch gehören, die Lieferkette anzuschauen. Wer trainiert die KI-Systeme? Sind es schlecht bezahlte und prekär beschäftigte Clickworker aus dem globalen Süden? Auch der Datenschutz ist ein guter Hebel. Wird nicht auf den Datenschutz geachtet, könnte Folgendes passieren: Wer überwacht und kontrolliert wird, passt sein Verhalten an und wird eher nicht den Mut haben, unökologisches oder unsoziales Handeln im Betrieb anzusprechen. Doch genau diesen Mut und diese Ideen zur Veränderung der Arbeitswelt braucht es, damit Menschen dort, wo sie einen Großteil ihrer Zeit verbringen, einen Wandel anstoßen.
Nachhaltig mit sich und anderen
Der Arbeitsforscher und Autor Hans Rusinek sagt, dass wenn Menschen in Betrieben umweltschädliche Praktiken verändern und auch mit sich selbst und gegenseitig nachhaltiger umgehen, etwa längere Zeiten fokussierter Arbeit ohne Unterbrechung und genug Pausen, sie mehr Zeit zum Nachdenken haben und so auch Verantwortung für die Erde übernehmen können. Damit können auch Betriebsräte wichtige gesellschaftliche Akteur*innen einer Bewegung für mehr Klimaschutz sein. Und für mehr Nachhaltigkeit – übersetzt als eine Form der Ressourcennutzung, die auf dem gleichzeitigen und gleichberechtigten Umsetzen von Umweltschutz, langfristigem Wirtschaften und einem fairen Miteinander beruht (Wikipedia). Dazu kann auch Gute Arbeit im Sinne einer entschleunigten Arbeit und einem nachhaltigem Umgang mit sich selbst gehören. Sicher, Unternehmen setzen KI ein, um Prozesse zu beschleunigen und mehr Produktivität zu erzielen. Was zur Folge hat, dass der Verbrauch weiter steigt.
Künstliche Intelligenz ist nicht die Rettung aus der Klimakrise. Dafür braucht es kluge politische Entscheidungen und die Beteiligung der Bürger*innen und der Beschäftigten.
Quellen:
https://www.deutschlandfunk.de/kuenstliche-intelligenz-energieverbrauch-klimaschutz-nachhaltigkeit-umwelt-atomkraft-100.html
Bewertungstool von AlgorithmWatch: https://sustain.algorithmwatch.org/bewertungstool/
SustAIn-Projekt: Schritt für Schritt zu einer nachhaltigen KI: https://sustain.algorithmwatch.org/schritt-fuer-schritt-zu-einer-nachhaltigen-ki/