BTQ: Was müsste bei den Themen KI und Digitalisierung dringend angegangen werden?
Birte Komosin: Ich würde mir wünschen, dass bei KI nicht nur die Automatisierung und effizientere Herstellung von Produkten, sondern auch die Arbeitserleichterung in der Unternehmensorganisation, etwa in der Buchhaltung oder im Personalwesen im Fokus steht. Dass der Blick stärker darauf gerichtet wird, welche Unterstützung KI beispielsweise für Menschen mit Handicap bietet. Der Blick ist noch zu stark auf große Unternehmen und den Produktionsbereich gerichtet.
BTQ: Was meinst du damit?
Birte Komosin: Für große Unternehmen gibt es oft viel Material und Wissen zu KI, Digitalisierung, Robotik und diese Themen. Aber wie lässt sich das auf kleine Betriebe übertragen? In einer Umfrage der Ruhr-Universität Bochum wurden Betriebsräte nach ihren Weiterbildungsbedarfen gefragt. Geantwortet haben hauptsächlich freigestellte Betriebsräte aus den großen Unternehmen. Bei den kleinen Unternehmen ist ein großer blinder Fleck.
BTQ: Mit welchen Problemen haben Betriebsräte aus kleineren und mittleren Unternehmen zu tun?
Birte Komosin: Die Betriebsräte haben keine Freistellung und sind häufig überlastet. Es bleibt kaum Zeit, um Themen selbst auf den Weg zu bringen. Stattdessen muss oft kurzfristig reagiert werden, etwa bei personellen Einzelmaßnahmen. Eigene Vorhaben zur Gefährdungsbeurteilung, zum Datenschutz oder auch zur Frage, wie KI den Arbeitsalltag erleichtern könnte, werden oft verschoben. Ich denke, in größeren Unternehmen sind die Strukturen andere mit festen Abteilungen und klareren Abläufen. In kleinen Unternehmen fühlen sich die Beschäftigten dagegen oft für das Ganze verantwortlich und finden weniger Zeit für solche komplexen Themen wie KI. Das gilt auch für den Betriebsrat.
BTQ: Wie könnte es gut gelingen, Wissen rund um KI Betriebsräten und Beschäftigten zu vermitteln?
Birte Komosin: Ein Rezept habe ich nicht, es käme auf einen Versuch an. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Betriebsrat ein 100-seitiges Dokument durcharbeitet. Es müsste stattdessen sehr anwendungsbezogen sein. Zum Beispiel: Welche Fragen könnten relevant sein, wenn Bild- oder Spracherkennungstools im Betrieb eingeführt werden? Welche Informationen braucht ein Betriebsrat? Wie könnte er die erhalten? Oder Personalmanagementsysteme: Sind KI-Komponenten integriert? Wie erkennt das ein Betriebsrat und wie sollte er vorgehen? Welche Mitbestimmungsrechte hat er? Das sind Fragen, auf die Betriebsräte der kleinen und mittleren Unternehmen eine Antwort brauchen.
BTQ: Welche Art der Informationsvermittlung könnte passen?
Birte Komosin: Wichtig finde ich, dass besonders für kleine Betriebe mit nicht-freigestellten Betriebsräten keine mehrtägigen Schulungen angeboten werden. Dafür haben sie keine Zeit. Besser kommen Workshops von wenigen Stunden an, die jemand nach individuellem Interesse nutzen kann. Außerdem sollten die Inhalte nicht abstrakt und theoretisch erklärt werden, sondern einen praktischen Bezug zu betrieblichen Problemen haben. Die Inhalte können zum Beispiel als Lernbausteine oder Videos aufbereitet sein, die je nach Zeitbudget angesehen werden können. Vielleicht gibt es den Wunsch, dass sich Betriebsräte verschiedener Unternehmen persönlich austauschen, um sich gegenseitig Impulse zu geben und Hilfe, wenn man allein nicht mehr weiterkommt. Das könnte in Form von Stammtischen geschehen. Damit hätte man analoge und digitale Unterstützung miteinander verknüpft.
Welche Unterstützung könnten Gewerkschaften leisten?
Birte Komosin: Ich könnte mir eine Brückenfunktion vorstellen. Gewerkschaften haben einen guten Draht zu den Betriebsräten und könnten sie auf solche Angebote wie KI-Workshops aufmerksam machen. Als Tipp für die Betriebsräte: ‚Schaut euch das mal an, das sind Kooperationspartner von uns.‘ Das wäre eine gute Empfehlung.